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Zwang

Ein freundliches Lächeln huschte kurz über ihr Gesicht, als Frau Dr. Meier ihm die Hand reichte: „Freut mich sehr, Herr Seifert!“

„Hallo“, brummte Manuel Seifert in seinen Bart.

„Schauen Sie sich gerne erst einmal in Ruhe um.“

Manuel ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Eine große Fensterfront, ein Sessel und eine Liege, ein Schreibtisch samt Stuhl, ein Bücherregal, ein paar Kommoden und ein großer Teppich auf dem Boden. Praktisch keine Möglichkeit zur Deckung. Ein Terrain, das ihm zuwider war. Immerhin, die Liege mit erhöhtem Rand machte einen stabilen Eindruck. Er legte sich darauf, während die Psychotherapeutin im Sessel Platz nahm.

„Etwas nackt haben Sie’s hier …“, begann Manuel nach einer Weile.

Dr. Meier lächelte kurz, als sich ihre Blicke trafen. „Was meinen Sie mit ‚nackt’?“

„Wenn jetzt ein Amokläufer zur Tür reinkommt, wo verstecken Sie sich?“

„Ein Amokläufer?“ Dr. Meier drehte sich mit gespielter Verwunderung zur Tür. „Wieso sollte ein Amokläufer hier hereinkommen?“

„Sagen Sie es mir, Sie sind doch der Psycho-Doc!“

Erneut huschte ein Lächeln über Dr. Meiers Gesicht. „Nun, ich setze in meiner Praxis einen anderen Schwerpunkt. Sie können sich also sicher sein, dass keiner meiner Patienten hier …“

„Und was, wenn ich …?“

„Sie?“ Dr. Meier lächelte erneut für einen kurzen Augenblick. „Ja, von Berufs wegen wären Sie sicherlich dazu imstande. Aber wegen Ihrer moralischen Prinzipien ist es eher abwegig, dass Sie wehrlose Zivilisten gefährden…


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Suizid

„Geschlossen“ – das Schild prangte unübersehbar an der gläsernen Eingangstür. Und doch brannte im Inneren des kleinen Cafés noch Licht. Timotheus war gerade dabei, die letzten Gerätschaften von Wert aus dem Laden zu räumen. Der neue Mieter wollte bereits kommende Woche aus dem einst hippen Café eine namenlose Boutique mit Stangenware in der Auslage machen. Der Ortskern verlor mehr und mehr an Individualität und Charme, was Timotheus nicht weiter interessierte. Seine Arbeit hier war getan.

Hartnäckig klopfte und rüttelte Eugen an der verschlossenen Tür. Nach einigen eindeutigen Handgesten und mehrmaligem Rufen von „Nein, wir haben geschlossen!“ erbarmte sich Timotheus schließlich, ging zur Tür, drehte den Schlüssel um und öffnete einen Spalt breit.

„Timotheus Waldbehr?“, fragte Eugen hastig.

„Wer will das wissen?“

„Eugen!“

„Und weiter?“

„Eugen Meierling.“

„Wir haben geschlossen, Eugen Meierling“, versuchte Timotheus die Unterredung zu beenden, doch Eugen unterbrach ihn: „Du bist also Timotheus?“

„Ja“, raunzte dieser.

„Okay, ich brauche wirklich nicht lange, Timotheus, bitte lass mich kurz …“

„Hör zu, Eugen, ich habe dich hier noch nie gesehen und weiß nicht, was so dringlich sein soll. Aber wie du siehst, ist das Café geschlossen, und ich habe noch viele Dinge …“

Eugen unterbrach: „Das beste Café im Bezirk soll das hier gewesen sein? Das ist doch keine Gastfreundschaft, Timotheus! Komm schon! Wo sind deine Manieren? Es geht um eine sehr wichtige Angelegenheit, die nur dich und mich was angeht. Und vielleicht deinen Bruder.“

„Du kennst meinen Bruder?“ Timotheus fasste den anderen fest ins Auge …


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Aphantapath

„Und Sie sind sich wirklich sicher?“, fragte die Stimme schüchtern.

„Ja, bin ich!“, stellte ich klar und umklammerte den Telefonhörer fester. „Setzen Sie alles auf eine Karte. Der Kurs der Aktiengesellschaft wird in Kürze dramatisch fallen!“

Damit endete das Telefonat und ich legte auf. Sekunden später griff ich erneut zum Hörer und begann, eine Nummer einzutippen. Kurz schien es so, als verweigerte mein Zeigefinger die Eingabe. Lag es daran, dass ich diese Nummer schon seit Jahren nicht mehr gewählt hatte? Oder rührte meine Unsicherheit woanders her?

Alles hatte an einem Tag im Spätherbst begonnen. Ein heftiges Unwetter hatte das Dach des Familiensitzes beschädigt. In der Regel liefen die nötigen Reparaturarbeiten ab, ohne dass man mich darüber in Kenntnis setzte. Meine Hausangestellten gehörten schließlich zu den Besten ihres Fachs. Doch einige Tage nach dem Sturmschaden brachte mir einer von ihnen eine dunkelbraune Holzkiste mit goldenen Beschlägen. Sie habe auf dem Dachboden nahe der Unglücksstelle gestanden.

Sicher gab es in der Familienvilla eine Vielzahl Kisten, Boxen und Schatullen, die über die Jahrzehnte angesammelt und gefüllt worden waren und von deren Existenz ich bis dahin nichts gewusst hatte. Doch diese Holzkiste war anders. Sie weckte sofort meine Neugier. Der Grund waren die in Gold eingearbeiteten Buchstaben „J. C.“ auf dem Deckel. Das waren die Initialen meines Vaters, der das leuchtende Vorbild einer ganzen Generation gewesen war …


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Sucht

Roger drückte auf die Pausentaste. Sofort fror das Bild ein. Just in dem Moment, als er in den enttäuschten und zugleich verdutzten Blick des Mannes auffing und seinen Satz formulieren wollte, klopfte es an der Tür.

Manuel schob seinen Kopf durch den Türspalt: „Roger, da ist ein Herr im Anzug für dich.“

„Ha, das ist bestimmt mein Anwalt!“, tönte Rogers Gegenüber.

„Man darf gespannt sein“, schmunzelte der. „Manuel, machst du weiter?“

Manuel trat ins Verhörzimmer ein, während Roger den Raum verließ und im Flur auf einen Mann im grauen Anzug traf.

„Herr Roger Mudsen?“

„Höchstpersönlich, Sir! Ja, Sir!“, salutierte Roger scherzhaft vor dem Anzugträger. Aus seiner Zeit beim Militär hatte er sich angewöhnt, alle Menschen, die ihre Kleidung des Erscheinungsbildes statt des Nutzens wegen trugen, nicht allzu ernst zu nehmen. Sicherlich ließ sich streiten, ob bei manchen Berufsgruppen der Nutzen eines Anzugs nicht in der Seriosität des Erscheinungsbildes lag, doch für Roger galt das nicht. Für ihn war der Nutzen der Kleidung allein auf ihre Funktionalität beschränkt. Hielt sie trocken? Schützte sie vor Sonne und Wind? War sie ausreichend reißfest? Wie viele Taschen hatte sie? Wo waren diese angebracht und waren sie verschließbar? Wenn das Kleidungsstück dann noch „gut am Mann“ saß, griff Roger zu. Sonst nicht.

„Lassen Sie bitte dieses ‚Sir‘! ‚Herr Rumpski‘ reicht“, antwortete der Anzugträger.

„Entschuldigen Sie, Herr Rumpski, das stammt noch aus meiner Zeit in Amerika. In Guantanamo war es üblich, sich mit Respekt zu begrüßen.“ …


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Asterisk

Es war später Vormittag – der ideale Zeitpunkt für Schulinternatsdirektor Braun, einen Kaffee auf dem Schreibtisch zu platzieren und seinen Computer aus dem Standby zu holen. Ausgerechnet heute Nacht war auf seinem Lieblingsportal ein neuer Streifen online gegangen.

Obwohl seine Frau ihn bereits verlassen hatte, hielt sich Direktor Braun nicht für jemanden, dessen Pornokonsum negative Auswirkungen auf sein Leben hatte. Nein, für ihn lag sein Tun einfach voll im Trend. Er fühlte sich als Teil einer Bewegung, die Deutschland zum Spitzenreiter bei der Anzahl der Zugriffe auf pornografische Seiten gemacht hatte. Exportweltmeister und Pornoweltmeister, sagte sich Direktor Braun immer und schmunzelte dabei in seinen Bart.

Er klickte gerade seine Lieblingswebsite an, als plötzlich die Bürotür aufflog. Frau Emsdetten stürmte herein. Ohne Anklopfen, ohne Ansage, ein Gräuel für Direktor Braun. Doch noch ehe er seinem Unmut Luft machen konnte, knallte Frau Emsdetten ein gefaltetes Blatt Papier auf seinen Schreibtisch und erklärte, zufrieden schnaubend: „Hier, Herr Direktor Braun. Ich habe den Schmierfink gefunden!“

Direktor Braun versuchte sich zu fangen, blickte verwirrt auf den Computerbildschirm und schloss den Browser mit dem anstößigen Videomaterial. Dann griff er automatisch nach dem Zettel und faltete ihn auseinander. Sein Ärger über das ungebetene und forsche Eindringen von Frau Emsdetten verflog augenblicklich, als er hinter ihr einen Schüler ausmachte.

„Nun lesen Sie doch bitte, Herr Braun. Das ist eindeutig!“, drängelte Frau Emsdetten. Dabei zuckten ihr Gesicht so heftig, dass die Nickelbrille hin und her hüpfte.

Die Nickelbrille: Frau Emsdettens Markenzeichen und für Direktor Braun das i-Tüpfelchen, mit dem ihr der letzte Platz in seiner persönlichen Sympathieskala des Lehrpersonals sicher war …


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Bunt

Das Haus stand in zweiter Reihe. Nur wenige Fußabdrücke führten dorthin, keiner hatte sich die Mühe gemacht, den Weg zu räumen. Ganz im Gegenteil. Irgendjemand hatte sogar das Weiß des Schnees mit seinem Urin besudelt.

Sam trat vor die Haustüre und ging im Flackerlicht der Laterne die Klingelschilder durch. Neben der zweiten Klingel von unten war ein Stück Papier aufgeklebt. Darauf stand mit schwarzem Filzstift gekritzelt „Tao“. Sam klingelte.

„Ja?“, rauschte es wenig später durch die Gegensprechanlage.

„Hier ist Sam, wir hatten einen Termin um 17 Uhr.“

„Ich habe noch einen Gast, komm bitte in 15 Minuten wieder. 15 Minuten, ja, Schatzi?“

In jedem Wort lag ein asiatisch nasaler Akzent und die Betonung war durchweg fehlerhaft. Doch Sam hatte schon ganz anderes erlebt. Immerhin sprach Tao überhaupt deutsch, dachte er. Dann schaute er auf die Uhr, wandte sich von der Tür ab und eilte zurück durch die schmale Hofeinfahrt. Ihm behagte es nicht, sich in dieser Gegend länger als nötig aufzuhalten.

Mit „Gast“ hatte Tao „Kunde“ gemeint und „Komm bitte in 15 Minuten wieder. 15 Minuten, ja, Schatzi?“ war gleichbedeutend mit „Verpiss dich und komm in 15 Minuten wieder. Wenn du früher kommst und mir dadurch mein Geschäft verhagelst, wirst du deines Lebens nicht mehr froh werden!“. Taos aufgesetzte Höflichkeit gehörte zur Absurdität des Rotlichtmilieus, das wusste Sam nur allzu gut.

Er spürte, wie sein Herz zur Ruhe kam, nachdem er einige Straßenecken hinter sich gelassen hatte. Hier war er weit genug vom Hofeingang entfernt und keiner würde ihn mit dem Hinterhaus in Verbindung bringen.

Kalter Wind fegte ihm ins Gesicht und er vergrub die Hände tiefer in den Taschen. Dabei fühlte er die Klinge des Wakizashi, das er in einem Brustgurt unter seiner Jacke trug. Heute war es das letzte Mal, sinnierte Sam, dass er seinen treuen Wegbegleiter würde einsetzen müssen. Das letzte Mal, dass er sich dem eiskalten Dresdner Winter in dieser schicksalhaften Nacht aussetzte …


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Dysbalance

Augenblicklich wusste Adrian, dass sein Kontaktmann bereits vor Ort war. Nach allem, was er über ihn gehört hatte, zählte Understatement nicht zu seinen Tugenden. Der Bugatti Chiron hatte ihn sofort verraten.

Adrian parkte seinen Mittelklassewagen und stieg aus. Eine sommerliche Brise wehte ihm ins Gesicht. Er überließ es den Passanten, den Supersportwagen anzustarren, und machte sich auf den Weg zum Treffpunkt. Nur seine kalten, feuchten Hände verrieten, wie nervös Adrian tatsächlich war. Schließlich konnte genau so seine Zukunft aussehen. Erst ein teures Auto, dann eine teure Villa und nicht zuletzt eine schöne Frau.

Ein schmaler, unscheinbarer Pfad führte vom Parkplatz eine leichte Böschung hinab, schlängelte sich durch ein kleines Waldstück und endete an einer Bank. Direkt am Ufer des kristallklaren Sees gelegen und vermutlich mit dem besten Blick auf das Bergmassiv, war sie dennoch kaum jemandem bekannt. Hier trafen sich nur Frischverliebte und die Dorfjugend – oder aber Geschäftsleute für vertrauliche Besprechungen.

Auf der Bank saß ein Mann, der Adrian den Rücken zuwandte. Seine zierliche, hagere Gestalt schien mit der Holzbank verwachsen zu sein. Nur allzu leicht konnte man ihn übersehen. Allein der Picknickkorb, der neben der Bank stand, war Adrian sofort ins Auge gestochen. Er holte tief Luft, dann trat er dem Mann gegenüber.

„Adrian Lemkov.“ Adrian streckte die Hand aus.

Der Mann blickte ihm in die Augen, ließ einige Sekunden verstreichen und ergriff dann die dargebotene Hand: „Joshua. Einfach nur Joshua. Hier bitte, setz dich!“

Adrian ließ sich auf den angebotenen Platz nieder und bemühte sich, Joshuas intensivem Blick standzuhalten. Er hatte schon vielen Menschen ins Gesicht gesehen, doch bei Joshua, da nahm er etwas wahr, das ihm sein ganzes Leben noch nicht begegnet war …


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Yeti

Ich saß genau an jenem Ort, an dem ich ihn vor einer Woche kennengelernt hatte. Hier, am Ufer des Erhai-Sees, des zweitgrößten Hochlandsees Chinas in der Provinz Yunnan.

Gedankenverloren blickte ich ins Wasser. Es war so klar, dass man sogar die Kieselsteine am Grund sehen konnte. Plötzlich legte ein leichter Wind Wellen auf die Wasseroberfläche. Ich schaute auf. Auch die hohen Bambussträucher am Ufer neigten sich. Ein Wetterwechsel schien sich anzukündigen.

Auf dem See waren einige „Bais“ mit dem traditionellen Fischfang beschäftigt. Meine Urgroßeltern waren auch „Bais“ gewesen. Wie viel „Bai“ wohl in mir noch steckte, fragte ich mich. Äußerlich glich ich einer Einheimischen und auch den chinesischen Dialekt der Region beherrschte ich dank meiner Eltern, doch mein Inneres war von westlichen Wertvorstellungen geprägt. Und so ahnte ich bereits, dass die traditionelle Fischerei an diesem Ort bald aussterben würde, denn schon heute ließen sich die meisten Fischer lieber von Touristen fotografieren als hinaus aufs Wasser zu fahren – allzu lukrativ war das Geschäft mit den wohlhabenden Besuchern. Dabei war meiner Meinung nach der Fischfang mit Kormoranen durchaus schützenswert. Gleiches galt für die Tierwelt, deren Bewahrung ich mich schon vor vielen Jahren verschrieben hatte.

Als ein Fischer auf dem See mit einer Bambusstange wiederholt gegen sein Boot schlug und damit signalisierte, dass sein Fangtag für heute beendet war, fiel mir ein, wie verblüfft mein neuer Bekannter geguckt hatte, als wir die Fischer vom Ufer aus beobachteten. Er hatte so etwas noch nie gesehen und war neugierig gewesen, wie die traditionelle Fangmethode funktionierte …


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Prüfer

Es geschah völlig unerwartet.

Eine gute Gelegenheit, die Lippen nachzuziehen, hatte sie gedacht, als die Ampel auf Rot sprang und sie zum Anhalten zwang. Mit geübtem Griff zog sie den Lippenstift aus der Tasche, die auf dem Beifahrersitz lag, und wechselte das Smartphone vom rechten ans linke Ohr.

„Ja sicher, der spinnt. Da hast du recht!“, ermunterte Lana die Freundin am Telefon, ihren Redefluss nicht zu unterbrechen. Dadurch gewann sie Zeit, sich um ihre Lippen zu kümmern, ohne selbst sprechen zu müssen. Sie verrenkte den Hals und konzentrierte sich auf ihren Mund im Rückspiegel. Inzwischen setzte Brigitte ihre Klagen fort.

Plötzlich gab es einen heftigen Aufprall. Das Auto machte einen Satz nach vorn. Ihr Smartphone flog durch die Fahrerkabine, ebenso der Lippenstift. Beide landeten an der Innenseite der Windschutzscheibe. Lana selbst wurde vom Gurt gehalten. Nur ihr Kopf schleuderte ungebremst ruckartig vor und zurück.

Alles schien verschwommen. Benommen versuchte sie klar zu sehen, sortierte sich kurz und öffnete den Gurt, um das Fahrzeug zu verlassen. Der Schock saß ihr tief in den Knochen, doch Adrenalin flutete ihren Körper. Schmerz oder Angst empfand Lana nicht, sondern fühlte sich, als habe sie alles unter Kontrolle.

„Ist alles in Ordnung bei Ihnen? Sind Sie verletzt?“, rief ihr eine Männerstimme zu. Sie drehte sich in die Richtung, aus der die Stimme kam. Der Mann war aus dem Auto hinter ihr gestiegen und lief eilig auf sie zu. Plötzlich wurde ihr übel. Sie wankte noch einige Schritte orientierungslos umher. Dann wurde Lana schwarz vor Augen.


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U-Haft

„Haben Sie schon einmal vom ‚Salmon of Doubt‘ gehört?“, erkundigte sich der Mann im weißen Kittel neben mir.

Wir liefen einen in kaltem Weiß gehaltenen Flur entlang. Eine endlose Reihe identischer Türen säumte rechts und links unseren Weg. Eben noch hatte ich in einem Raum hinter einer dieser Türen gesessen. Auf dem kleinen, harten Bett, gegenüber von Toilettenschüssel und Waschbecken. Ohne Fenster.

Der freundliche Mann im Kittel hatte mich abgeholt, vier groß gewachsene, muskulöse Männern trotteten hinter uns her. An meine Handgelenke hatten sie Handschellen angelegt, zusätzlich gab es Fußfesseln. Beides aus Hartplastik, nicht aus Metall.

„Ich entnehme Ihrem Schweigen, dass Sie sich noch nicht mit dem ‚Lachs des Zweifels‘ auseinandergesetzt haben?“, riss mich der Kittelträger aus meiner Gedankenversunkenheit.

„Nein, nie davon gehört“, antwortete ich mechanisch.

„Oh, eine unglaublich spannende Sache, glauben Sie mir!“, erklärte der Mann euphorisch und führte aus: „Stellen Sie sich einfach vor, sie würden einen Lachs in einen MRT-Scanner legen und ihm Bilder von Menschen in sozialem Miteinander zeigen. So macht man das heutzutage üblicherweise bei Menschen, um zu lokalisieren, wo im Gehirn bestimmte Gedanken produziert werden. Das Ganze nennt sich funktionelle Magnetresonanztomografie, kurz fMRT …“

Die Stimme des Mannes verblasste in meiner Wahrnehmung. Denn plötzlich dachte ich zurück: Ich war einem Aufruf gefolgt, das Fundament der Demokratie zu leben und auf die Straße zu gehen. Für etwas – oder gegen etwas. Nur bloß nicht zuhause zu einem unmündigen Bürger und Konsumenten verkommen. Ich war für meine Interessen eingetreten, auf einer friedlichen Demo.

Doch dann war ich plötzlich in der falschen Ecke gelandet. Bei Maskierten, Gewaltbereiten, Radikalen. Zu spät zur Flucht: Mit gefangen, mit gehangen. Zwar waren die Einsatzkräfte, die Freunde und Helfer des Bürgers, ruppig bei der Festnahme, aber da ich mir nichts hatte zu Schulden kommen lassen, musste ich auch nichts befürchten. Oder doch? …


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