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Zwang

Ein freundliches Lächeln huschte kurz über ihr Gesicht, als Frau Dr. Meier ihm die Hand reichte: „Freut mich sehr, Herr Seifert!“

„Hallo“, brummte Manuel Seifert in seinen Bart.

„Schauen Sie sich gerne erst einmal in Ruhe um.“

Manuel ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Eine große Fensterfront, ein Sessel und eine Liege, ein Schreibtisch samt Stuhl, ein Bücherregal, ein paar Kommoden und ein großer Teppich auf dem Boden. Praktisch keine Möglichkeit zur Deckung. Ein Terrain, das ihm zuwider war. Immerhin, die Liege mit erhöhtem Rand machte einen stabilen Eindruck. Er legte sich darauf, während die Psychotherapeutin im Sessel Platz nahm.

„Etwas nackt haben Sie’s hier …“, begann Manuel nach einer Weile.

Dr. Meier lächelte kurz, als sich ihre Blicke trafen. „Was meinen Sie mit ‚nackt’?“

„Wenn jetzt ein Amokläufer zur Tür reinkommt, wo verstecken Sie sich?“

„Ein Amokläufer?“ Dr. Meier drehte sich mit gespielter Verwunderung zur Tür. „Wieso sollte ein Amokläufer hier hereinkommen?“

„Sagen Sie es mir, Sie sind doch der Psycho-Doc!“

Erneut huschte ein Lächeln über Dr. Meiers Gesicht. „Nun, ich setze in meiner Praxis einen anderen Schwerpunkt. Sie können sich also sicher sein, dass keiner meiner Patienten hier …“

„Und was, wenn ich …?“

„Sie?“ Dr. Meier lächelte erneut für einen kurzen Augenblick. „Ja, von Berufs wegen wären Sie sicherlich dazu imstande. Aber wegen Ihrer moralischen Prinzipien ist es eher abwegig, dass Sie wehrlose Zivilisten gefährden…


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Stille

Tommy sagte nie ein Wort. Selbst als Kleinkind hatte er nicht mehr als ein paar „Dada“- und „Lala“-Laute hervorgebracht. Dabei war er keinesfalls stumm. Kaum drang Gesang an seine Ohren, fiel er lauthals ein, ganz egal in welcher Sprache, egal ob Englisch, Deutsch, Französisch oder Spanisch. Alle Texte sang er akzentfrei mit – vorausgesetzt, die Musik überschritt eine gewisse Zahl an Beats pro Minute. Mit Lounge- und Chillout-Stücken konnte Tommy nichts anfangen und blieb still.

Seine Liebe zur Musik hatte Tommys Eltern veranlasst, ihm Kopfhörer zu kaufen, denn nach Wochen heimischer Dauerbeschallung und vergeblichem gutem Zureden war ihr Geduldsfaden gerissen. Die Anschaffung war gewissermaßen der Preis für Stille – zumindest was die Boxen anbelangte. Ihr Sohn hielt natürlich keine Ruhe, trotzdem lauschten sie seinem Gesang voller Glückseligkeit. Schließlich war das für sie die einzige Gelegenheit, seine Stimme zu hören, und zugleich der immer wiederkehrende Beweis dafür, dass manch ein Arzt geirrt hatte.

Noch ehe Tommy in die Kita gekommen war, hatten sie ihn bei einer Vielzahl Weißkittelträger vorgestellt. Man versuchte herauszufinden, ob es einen anatomischen Grund für Tommys Schweigen gab. Die Diagnosen schwankten stark und sogar Operationen standen zur Diskussion. Es gab aber auch Ärzte, die versicherten, dass alle Voraussetzungen zum Sprechen vorhanden seien: Ein ausgebildeter Kehlkopf, altersgerecht entwickelte Stimmbänder, alles war da. Nur reden müsse der Junge selbst, stellten sie fest, und dies solle er auch, und zwar so regelmäßig wie möglich, denn beim Sprechen sei es wie mit allem: Übung mache den Meister und wenn man etwas nicht trainiere, dann verlerne oder verliere man es …


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Dreistellig

Anna Bågenholms Körpertemperatur hatte bei 13,7 Grad Celsius gelegen. Sie war klinisch tot gewesen. Dennoch gaben sie die Rettungskräfte und Ärzte nicht auf. Drei Stunden harter, konzentrierter Arbeit und sie schafften die Sensation: Annas Körpertemperatur stieg wieder über 36 Grad. Sie überlebte, ganz ohne bleibende Schäden.

In Vincents Kopf rotierte das Gedankenkarussell. Doch nicht das unglaubliche Wunder, das Anna widerfahren war, beschäftigte ihn. Stattdessen verfolgte ihn eine einzige Frage: Zählten die drei Stunden nun zu Annas Lebenszeit oder müssten sie eigentlich abgezogen werden?

Er schloss das Magazin der Fluggesellschaft, das er kurz vor dem Landeanflug aus dem Fach des Vordersitzes gezerrt hatte. Viele Promi-News, dazu ein paar Artikel mit Themen, die unter die Kategorie Selbstbeweihräucherung der Airline fielen. Ergänzt wurde das Ganze durch geschmacklose, bunte Werbung für „Must have“-Reiseziele. Darunter war auch Tromsø, in deren Universitätsklinik Anna Bågenholm nach ihrem Skiunfall 1999 eingeliefert worden war. Eines dieser üblichen Reisemagazine eben, dachte Vincent.

Und er musste es wissen, denn er war Zeit seines Lebens fast ständig unterwegs gewesen. Viele seiner Geschäftsbeziehungen hatten sich über die Jahre ins Ausland verlagert. Seien es nun Zulieferer aus Fernost oder die wohlhabende Kundschaft aus dem Nahen Osten und von der anderen Seite des Großen Teichs. Stets gab es Termine an Orten, die nur mit dem Flugzeug kurzfristig zu erreichen waren.

Vincent war auch privat global vernetzt. Jedes Jahr flog er ans Mittelmeer nach Sardinien, ans Ägäische Meer nach Ikaria, nach Loma Linda in Kalifornien, auf die Nicoya-Halbinsel in Costa Rica und natürlich auch auf die japanische Insel Okinawa. Dabei zog ihn nicht der Wunsch nach Erholung dorthin. Für ihn waren es aus einem ganz anderen Grund faszinierende Orte, sogenannte „Blue Zones“. So unterschiedlich sie auch waren, sie alle hatten eines gemeinsam: Hier lebten überdurchschnittlich viele Menschen über hundert. Paradiesische Zustände …


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Humankapital

Natan schloss die Tür hinter sich. Ein dunkler Flur lag vor ihm.

„Hallo?“, rief er mit fester Stimme.

Keine Antwort. Er schüttelte den Schnee von der Kleidung und stellte seinen Rucksack neben die Eingangstür.

„Hallo, ist hier jemand?“

Nur der um die Hütte tosende Schneesturm gab ihm dumpf eine Antwort.

Langsam gewöhnten sich Natans Augen an die Dunkelheit. Dort, wo die Eingangstür nicht bündig am Rahmen anlag, drang das Weiß des Schnees durch die Schlitze und spendete ein wenig Helligkeit. Im Flur hatte man einen Großteil der Möbel mit Tüchern abgedeckt. So wie es üblich war, wenn eine Alpenhütte winterfest gemacht wurde. Doch zwei Dinge hatten Natan veranlasst, die Hütte trotzdem zu betreten. Zum einen hatte Licht in einem der Zimmer gebrannt und zum anderen war die Haustür nicht abgeschlossen gewesen.

„Hallo?“, hallte es durch den Flur. Kurz darauf flackerte Kerzenschein an den Wänden.

„Hallo, ich hatte gesehen, dass noch Licht in der Hütte brennt“, rief Natan, als plötzlich ein alter Mann den Flur betrat, in der Hand eine Kerze.

„Na, dann zieh dich erstmal aus und komm in die Stube. Da ist es wenigstens warm.“ Damit tappte er davon.

Natan erkannte sofort: Das musste der Hüttenwirt gewesen sein, mit seiner rauen, aber zugleich warmherzigen Art. Rasch zog er die Skischuhe aus und schleppte sie mitsamt seinen übrigen Habseligkeiten in den Gastraum. Dort platzierte er sie nahe am Ofen, der eine angenehme Wärme verbreitete. Anschließend streifte er seine Skikleidung ab und zog sich einige Kleidungsstücke aus dem Rucksack über.

„Hier, dann hast du warme Füße“, sagte der alte Mann und brachte Natan ein Paar Hüttenschuhe.

„Sehr aufmerksam“, erwiderte Natan und ließ unerwähnt, dass er eigenes Schuhwerk für drinnen dabeihatte. „Ich dachte, um die Zeit hat nur noch die Schutzhütte offen.“

„Normalerweise ja“, antwortete der Hüttenwirt und fuhr sich durch seinen langen Bart, „aber dieses Jahr nicht.“

„Wieso?“ …


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Putzmuffel

Als der Mann das Wartezimmer betrat, war nur noch ein Platz frei, genau gegenüber von Amir und seiner Mutter. Der Mann schlenderte zum Stuhl und ignorierte die übrigen Wartenden. Betont lässig setzte er sich, schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme.

Es dauerte einen kurzen Moment, ehe er das nasse Blatt entdeckte, das an seiner Schuhsohle klebte und seitlich darunter hervorsah. Genervt stellte er den Fuß zurück auf den Boden und kratzte mit dem andern Schuh das Blatt von der Sohle. Mehrere Augenpaare folgten dem Geschehen. Dann schob der Mann das Blatt unter seinen Stuhl, getreu dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Dabei zerriss das Blatt, franste aus und hinterließ einen hässlichen Schmutzstreifen auf dem Boden.

„Dort drüben wäre ein Mülleimer“, meldete sich eine alte Frau zu Wort. Plötzlich war es mucksmäuschenstill im Wartezimmer. Alle Blicke waren nun auf den Mann gerichtet.

„Lesen Sie Ihr Klatsch-und-Tratsch-Magazin und mischen Sie sich nicht in Dinge ein, die Sie nichts angehen!“

„Und was denken Sie, wer den Dreck wegmacht?“, sprang eine junge Frau der alten Dame bei. Diese schüttelte derweil den Kopf und verzog das Gesicht, als ob sie das Wort „unerhört“ pantomimisch ausdrücken wollte.

Nur eine Person im Raum wusste eine Antwort auf die gestellte Frage: Amirs Mutter, denn sie reinigte die Arztpraxis seit Jahren …


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Schall und Rauch

„Samuel, bist du es wirklich?“

Samuel drehte sich reflexartig um und überlegte einen Augenblick. Nein, er kannte den Mann, der einige Schritte entfernt stand, nicht.

„Na klar, du bist es!“ Der Mann trat an Samuel heran.

„Kenne ich Sie?“

„Ach tu doch nicht so!“, grinste der Mann breit. Als er bemerkte, dass Samuel ihn tatsächlich nicht einordnen konnte, sagte er: „Weißt du nicht mehr, wir beide, die Teufel aus der fünften und sechsten Klasse?“

Der Wechsel von der Grund- auf die Realschule lag inzwischen fast zwanzig Jahre zurück. Und doch erinnerte sich Samuel nur an einen einzigen Menschen, mit dem er es in den ersten beiden Jahren zu einem derart schlechten Ruf gebracht hatte, dass er den Lehrern bis zum Schulabschluss in Erinnerung blieb.

„Ruben?“

„Zu einhundert Prozent! Mensch, das ist ja schon ewig her!“

„Viel zu lange, wenn du mich fragst.“ Samuel drückte Ruben innig, ließ aber gleich wieder von ihm ab. Er wusste, dass bei seinem Vorgesetzten oft nur ein kleiner Verstoß gegen dessen Guter-Service-hat-höchste-Priorität-Gebot genügte, um eine Verwarnung zu kassieren. Und Kunden zu umarmen fiel für ihn sicherlich unter Belästigung statt unter vorbildlichen Service.

„Was treibt dich denn wieder her, nach so langer Zeit?“, überspielte Samuel die peinliche Situation.

„Ach nichts Großes, ein paar Geschäfte …“


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Dysbalance

Augenblicklich wusste Adrian, dass sein Kontaktmann bereits vor Ort war. Nach allem, was er über ihn gehört hatte, zählte Understatement nicht zu seinen Tugenden. Der Bugatti Chiron hatte ihn sofort verraten.

Adrian parkte seinen Mittelklassewagen und stieg aus. Eine sommerliche Brise wehte ihm ins Gesicht. Er überließ es den Passanten, den Supersportwagen anzustarren, und machte sich auf den Weg zum Treffpunkt. Nur seine kalten, feuchten Hände verrieten, wie nervös Adrian tatsächlich war. Schließlich konnte genau so seine Zukunft aussehen. Erst ein teures Auto, dann eine teure Villa und nicht zuletzt eine schöne Frau.

Ein schmaler, unscheinbarer Pfad führte vom Parkplatz eine leichte Böschung hinab, schlängelte sich durch ein kleines Waldstück und endete an einer Bank. Direkt am Ufer des kristallklaren Sees gelegen und vermutlich mit dem besten Blick auf das Bergmassiv, war sie dennoch kaum jemandem bekannt. Hier trafen sich nur Frischverliebte und die Dorfjugend – oder aber Geschäftsleute für vertrauliche Besprechungen.

Auf der Bank saß ein Mann, der Adrian den Rücken zuwandte. Seine zierliche, hagere Gestalt schien mit der Holzbank verwachsen zu sein. Nur allzu leicht konnte man ihn übersehen. Allein der Picknickkorb, der neben der Bank stand, war Adrian sofort ins Auge gestochen. Er holte tief Luft, dann trat er dem Mann gegenüber.

„Adrian Lemkov.“ Adrian streckte die Hand aus.

Der Mann blickte ihm in die Augen, ließ einige Sekunden verstreichen und ergriff dann die dargebotene Hand: „Joshua. Einfach nur Joshua. Hier bitte, setz dich!“

Adrian ließ sich auf den angebotenen Platz nieder und bemühte sich, Joshuas intensivem Blick standzuhalten. Er hatte schon vielen Menschen ins Gesicht gesehen, doch bei Joshua, da nahm er etwas wahr, das ihm sein ganzes Leben noch nicht begegnet war …


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Jazz trifft Beat

Jazz war schon immer mein Leben. Spontan und improvisiert, mal laut und mal leise. Schuld daran war nicht zuletzt die Lage meines Elternhauses. Denn es stand nahe am Gelände des „mœrs festival“, und seit meiner Jugend war ich alljährlich dorthin gepilgert, um den Jazzklängen zu lauschen.

Mein Vater hingegen liebte Beatmusik, hatte sogar mit Anfang zwanzig eine Beatband mitgegründet. Deren Vorbilder waren The Spotnicks, The Shadows und The Ventures. Über Jahrzehnte hinweg trat die Band meines Vaters in Vereinsheimen im Revier auf. Doch dann fand er allmählich seine Griffe nicht mehr.

Wir standen gemeinsam auf der heutigen Europaallee vor einer dreiflügligen Konstruktion, deren Dach aus Stahlbeton an ein überdimensionales Ypsilon erinnerte. Viele Jahrzehnte lang hatte in seiner Mitte ein Pförtnerhaus gestanden. Die drei markanten Flügel mit hochgebogenen Enden hatten an die Rotorblätter eines Helikopters mit dem Pförtnerbau als Pilotenkanzel erinnert. Doch 2012 war das Pförtnerhaus abgerissen worden. Heute war es ein Helikopter ohne Führung.

Ein paar Lkws bretterten achtlos unter dem Betondach hindurch. Mein Vater wirkte verschlossen und in sich gekehrt. Ich war nicht sicher, was er von dem denkmalgeschützten, sanierten Bauwerk vor uns wirklich wahrnahm. Dabei hatte es eine solche Symbolkraft – für Blütezeit und Niedergang gleichermaßen.

Ich stellte mich dichter neben meinen Vater, der mehr und mehr verängstigt wirkte. Dann holte ich einen Kopfhörer aus meinem Rucksack und setzte ihn ihm auf. Er versuchte das Gerät abzuschütteln. Ich legte meine Hand auf seine Schulter und blickte ihm tief in die Augen. Dabei flüsterte ich ihm einige beruhigende Worte ins Ohr, bis ich das Gefühl hatte, dass er sich durch mich nicht bedroht fühlte. Erst dann drückte ich die Play-Taste und gab den Blick wieder frei. Auf das Werkstor des ehemaligen Krupp-Hüttenwerks in Rheinhausen …


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Dialekt

Wir hatten einen Platz mittendrin ergattert. In einem bayerischen Biergarten. Mit altehrwürdigen Kastanienbäumen, adretter Bedienung und gemütlichen Holzbänken.

Zur Rechten versuchte sich eine Gruppe Asiaten im Zuzeln, zur Linken diskutierten zwei Anzugträger über Geschäftliches. Dazwischen wir – das waren Inge, Mike und ich.

„Entschuldigen Sie, da ist noch ein Schluck drin!“, ermahnte Mike die Kellnerin und gab sich keinerlei Mühe, das R zu rollen. Die Dame im Dirndl stellte das Glas zurück auf den Tisch und wartete geduldig, bis Mike es vollständig geleert hatte. Nachdem sie abgeräumt und unseren Tisch verlassen hatte, erklärte ich ihm lachend: „Das Noagerl lässt man für gewöhnlich drin – das ist hier so Usus.“

„Das was?“, fragte Inge irritiert.

„Noagerl!“, wiederholte ich und ergänzte: „den letzten Schluck im Glas. Der schmeckt ja ohnehin meist fad.“

„Na ja, die Bayern halt“, meinte Inge und steckte sich schmunzelnd eine Zigarette an.

„Wir sind hier in Franken!“, widersprach ich.

„Ja, ist doch dasselbe“, erwiderte Mike. „Mia san mia, oder?!“ Dann lachte er und Inge fiel mit ein.

Ich schämte mich innerlich, wie salopp die beiden mit der bayerischen Identität umsprangen. Kürzlich waren sie von Hamburg nach Bamberg gezogen, allerdings nicht der Menschen oder der Gegend wegen, sondern weil gut bezahlte Jobs gelockt hatten. Sie waren stolz auf ihre norddeutsche Herkunft und belächelten die bayerischen Gebräuche gemeinhin – mit Ausnahme der geselligen Bierkultur.

Inge blies den ersten Rauch in die Luft und Mike unterbrach meine Gedanken: „Vor Kurzem kam die Frage nach einem generellen Rauchverbot in bayerischen Biergärten auf.“ Der Zigarettenkonsum seiner Freundin machte ihm mehr und mehr zu schaffen, das wusste ich. Inge rollte mit den Augen.

„Ich habe gehört, dass es bei dir in der Gegend ebenfalls Diskussionen darüber gegeben hat?!“, bohrte Mike weiter. „Weißt du, wie es ausgegangen ist?“ …


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Lichttherapie

„Sie können jetzt reingehen, Herr Dr. von Grün“, wies mich die Sekretärin von Direktor Dr. Wagner an. Mit einem gespielten Lächeln erhob ich mich von der Ledercouch, ging zur Bürotür und klopfte an. Dann trat ich ein.

Ich hatte Wagner, wie er intern genannt wurde, das letzte und bisher einzige Mal bei meinem Vorstellungsgespräch vor einem knappen Jahr gesehen. Seitdem war er meistens außer Haus gewesen: auf Kundenakquise bei ranghohen Personen aus Politik und Wirtschaft. Deshalb war er für alle Mitarbeiter der Firma ein Vorbild, denn trotz seines Alters schien er noch immer den ungebremsten Tatendrang eines echten Unternehmensberaters zu besitzen.

„Was klopften Sie denn an, von Grün?!“, überraschte mich Wagner. „Machen Sie uns mal einen Kaffee, Irene! Von Grün sieht ein wenig blass um die Nase aus – fast so, als würde er zu blassgrün wechseln.“

Zwar klang „von Grün“ nach einem Adelstitel, war aber letztlich nur Schall und Rauch. Und besonders das „Grün“ in meinem Namen war schon immer unvorteilhaft für mich gewesen. Auf der Arbeit riefen mich Kollegen gerne „Grünschnabel“. Lediglich das „von“ machte einiges her. Sei es auf der Visitenkarte, auf der Bewerbung oder beim Flirt. So ein „von“ hob einen von der Masse ab – wenigstens nach meiner Erfahrung.

Wagner lachte über seinen eigenen Scherz und kam hinter dem Schreibtisch hervor, um mir die Hand zu schütteln: „Sie trinken doch Kaffee, oder, von Grün?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr er fort: „Die Tür können Sie übrigens zumachen, von Grün! Das ist ja kein Durchgangszimmer hier … Und suchen Sie sich mal einen Platz am Tisch, anstatt hier so unbeholfen herumzustehen! Sie haben freie Wahl. Mit Ausnahme natürlich von diesem Stuhl hier, das ist meiner!“  …


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