Tommy sagte nie ein Wort. Selbst als Kleinkind hatte er nicht mehr als ein paar „Dada“- und „Lala“-Laute hervorgebracht. Dabei war er keinesfalls stumm. Kaum drang Gesang an seine Ohren, fiel er lauthals ein, ganz egal in welcher Sprache, egal ob Englisch, Deutsch, Französisch oder Spanisch. Alle Texte sang er akzentfrei mit – vorausgesetzt, die Musik überschritt eine gewisse Zahl an Beats pro Minute. Mit Lounge- und Chillout-Stücken konnte Tommy nichts anfangen und blieb still.

Seine Liebe zur Musik hatte Tommys Eltern veranlasst, ihm Kopfhörer zu kaufen, denn nach Wochen heimischer Dauerbeschallung und vergeblichem gutem Zureden war ihr Geduldsfaden gerissen. Die Anschaffung war gewissermaßen der Preis für Stille – zumindest was die Boxen anbelangte. Ihr Sohn hielt natürlich keine Ruhe, trotzdem lauschten sie seinem Gesang voller Glückseligkeit. Schließlich war das für sie die einzige Gelegenheit, seine Stimme zu hören, und zugleich der immer wiederkehrende Beweis dafür, dass manch ein Arzt geirrt hatte.

Noch ehe Tommy in die Kita gekommen war, hatten sie ihn bei einer Vielzahl Weißkittelträger vorgestellt. Man versuchte herauszufinden, ob es einen anatomischen Grund für Tommys Schweigen gab. Die Diagnosen schwankten stark und sogar Operationen standen zur Diskussion. Es gab aber auch Ärzte, die versicherten, dass alle Voraussetzungen zum Sprechen vorhanden seien: Ein ausgebildeter Kehlkopf, altersgerecht entwickelte Stimmbänder, alles war da. Nur reden müsse der Junge selbst, stellten sie fest, und dies solle er auch, und zwar so regelmäßig wie möglich, denn beim Sprechen sei es wie mit allem: Übung mache den Meister und wenn man etwas nicht trainiere, dann verlerne oder verliere man es …


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