„Sie können jetzt reingehen, Herr Dr. von Grün“, wies mich die Sekretärin von Direktor Dr. Wagner an. Mit einem gespielten Lächeln erhob ich mich von der Ledercouch, ging zur Bürotür und klopfte an. Dann trat ich ein.

Ich hatte Wagner, wie er intern genannt wurde, das letzte und bisher einzige Mal bei meinem Vorstellungsgespräch vor einem knappen Jahr gesehen. Seitdem war er meistens außer Haus gewesen: auf Kundenakquise bei ranghohen Personen aus Politik und Wirtschaft. Deshalb war er für alle Mitarbeiter der Firma ein Vorbild, denn trotz seines Alters schien er noch immer den ungebremsten Tatendrang eines echten Unternehmensberaters zu besitzen.

„Was klopften Sie denn an, von Grün?!“, überraschte mich Wagner. „Machen Sie uns mal einen Kaffee, Irene! Von Grün sieht ein wenig blass um die Nase aus – fast so, als würde er zu blassgrün wechseln.“

Zwar klang „von Grün“ nach einem Adelstitel, war aber letztlich nur Schall und Rauch. Und besonders das „Grün“ in meinem Namen war schon immer unvorteilhaft für mich gewesen. Auf der Arbeit riefen mich Kollegen gerne „Grünschnabel“. Lediglich das „von“ machte einiges her. Sei es auf der Visitenkarte, auf der Bewerbung oder beim Flirt. So ein „von“ hob einen von der Masse ab – wenigstens nach meiner Erfahrung.

Wagner lachte über seinen eigenen Scherz und kam hinter dem Schreibtisch hervor, um mir die Hand zu schütteln: „Sie trinken doch Kaffee, oder, von Grün?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr er fort: „Die Tür können Sie übrigens zumachen, von Grün! Das ist ja kein Durchgangszimmer hier … Und suchen Sie sich mal einen Platz am Tisch, anstatt hier so unbeholfen herumzustehen! Sie haben freie Wahl. Mit Ausnahme natürlich von diesem Stuhl hier, das ist meiner!“  …


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